„Deutschland braucht einen Lesepakt“**
Auf der morgen beginnenden Jahreskonferenz der AlphaDekade werden die
Ergebnisse der neuen LEO-Studie zur Literalität in Deutschland
präsentiert. Die Stiftung Lesen erwartet nicht, dass sich die 2011
veröffentlichte Zahl von 7,5 Millionen Erwachsenen, die nicht richtig
lesen und schreiben können, wesentlich verringert hat. Dafür gibt es
Gründe: Analphabetismus wächst nach. Auch die Lesekompetenz von
Grundschulkindern hat sich hierzulande seit 2001 nicht verbessert.
Nach der IGLU-Studie 2016 verfügt jeder fünfte Viertklässler über
kein ausreichendes Leistungsniveau. In keinem teilnehmenden Land waren
die sozial bedingten Unterschiede größer.
Leseförderung erreicht nicht alle. Zwar hat sich die
durchschnittliche Lesekompetenz Jugendlicher in Deutschland zuletzt
verbessert (PISA 2015). Die positive Entwicklung umfasst jedoch nicht
die Gruppe der leseschwachen Schüler, deren Anzahl und Leistung
stagnieren.
Lesen braucht Zeit. Lehrkräfte in Deutschland verwenden im Mittel
drei Stunden pro Woche bzw. 90 Stunden pro Schuljahr für expliziten
Leseunterricht. Die IGLU-Forscher konstatieren: „Deutschland liegt
damit weit unter dem internationalen Mittelwert mit knapp 160
Stunden.“
Deutschland fällt zurück. Schon 2013 belegte Deutschland bei der
internationalen PIAAC-Studie unter 24 Staaten nur den 16. Platz in
Sachen Lesekompetenz. Gemessen am BIP investiert die Bundesrepublik
bis heute weniger als 21 andere EU-Mitgliedsstaaten in Bildung.
„Deutschland braucht einen Lesepakt für Familien, Kitas und
Schulen, damit alle die gleichen Chancen auf Bildung, Aufstieg und
Gestaltung ihres Lebens haben“, so Dr. Jörg F. Maas,
Hauptgeschäftsführer der Stiftung Lesen. „Denn Prävention ist die
beste Leseförderung. So wichtig Angebote zur nachholenden
Alphabetisierung im Erwachsenenalter sind, so entscheidend bleiben die
frühe Prägung und Übung, im Sinne des einzelnen, aber auch mit
Blick auf die eingesetzten Mittel. Wir begrüßen, dass die
Kultusministerkonferenz 2019 einen Fokus auf die Sprach- und
Leseförderung legt. Um diese nachhaltig zu stärken, braucht es
konkrete Maßnahmen für die kommenden Jahre.“
Dazu gehören klare und verbindliche Standards für die
Sprachförderung in Kitas und den Leseunterricht in Grundschulen, aber
auch Angebote, die sich an Familien richten, sowie zur
außerunterrichtlichen Leseförderung und Stärkung ehrenamtlichen
Engagements. Zum Beispiel muss jeder Grundschüler neben dem
Leseunterricht freien Zugang zu Büchern haben, am besten in einem
Leseclub mit Betreuung und Programm, alternativ auch in einer offenen
Schulbibliothek oder zumindest gemütlichen Leseecke. Die
Vorlesestudie 2018 hat gezeigt, dass fast jeder vierte Grundschüler
keine derartigen Angebote kennt.
Quelle: Pressemitteilung der Stiftung Lesen vom 6.5.2019